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Danielle, 43 years old, female, heterosexual
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escorpionjafs
Crazy911
S
setubalense
graciasn guapa, me ha gustado mucho el video
Pd: como se las gasta alguna por aqui, que pedazo mensajes, jajaja
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Antwort:
1. Akt
1. Szene
(Just sitzet in einem Winkel, schlummert und redet im Traume.)
Just
Schurke von einem Wirte! Du, uns?—Frisch, Bruder!—Schlag zu, Bruder!
(Er holt aus und erwacht durch die Bewegung.) Heda! schon wieder?
Ich mache kein Auge zu, so schlage ich mich mit ihm herum. Hätte er
nur erst die Hälfte von allen den Schlägen!—Doch sieh, es ist Tag!
Ich muß nur bald meinen armen Herrn aufsuchen. Mit meinem Willen soll
er keinen Fuß mehr in das vermaledeite Haus setzen. Wo wird er die
Nacht zugebracht haben?
2. Szene
(Der Wirt. Just.)
Wirt Guten Morgen, Herr Just, guten Morgen! Ei, schon so früh auf? Oder soll ich sagen: noch so spät auf?
Just
Sage Er, was Er will.
Wirt
Ich sage nichts als "Guten Morgen"; und das verdient doch wohl, daß
Herr Just "Großen Dank" darauf sagt?
Just
Großen Dank!
Wirt
Man ist verdrießlich, wenn man seine gehörige Ruhe nicht haben kann.
Was gilt's, der Herr Major ist nicht nach Hause gekommen, und Er hat
hier auf ihn gelauert?
Just
Was der Mann nicht alles erraten kann!
Wirt
Ich vermute, ich vermute.
Just (kehrt sich um und will gehen). Sein Diener!
Wirt (hält ihn). Nicht doch, Herr Just!
Just
Nun gut; nicht Sein Diener!
Wirt Ei, Herr Just! ich will doch nicht hoffen, Herr Just, Daß Er noch von gestern her böse ist? Wer wird seinen Zorn über Nacht behalten?
Just
Ich; und über alle folgende Nächte.
Wirt
Ist das christlich?
Just Ebenso christlich, als einen ehrlichen Mann, der nicht gleich bezahlen kann, aus dem Hause stoßen, auf die Straße werfen.
Wirt
Pfui, wer könnte so gottlos sein?
Just
Ein christlicher Gastwirt.—Meinen Herrn! so einen Mann! so einen
Offizier!
Wirt Den hätte ich aus dem Hause gestoßen? auf die Straße geworfen? Dazu habe ich viel zu viel Achtung für einen Offizier und viel zu viel Mitleid mit einem abgedankten! Ich habe ihm aus Not ein ander Zimmer einräumen müssen.—Denke Er nicht mehr daran, Herr Just. (Er ruft in die Szene.) Holla!—Ich will's auf andere Weise wiedergutmachen. (Ein Junge kömmt.) Bring ein Gläschen; Herr Just will ein Gläschen haben; und was Gutes!
Just Mache Er sich keine Mühe, Herr Wirt. Der Tropfen soll zu Gift werden, den—Doch ich will nicht schwören; ich bin noch nüchtern!
Wirt (zu dem Jungen, der eine Flasche Likör und ein Glas bringt). Gib her; geh!—Nun, Herr Just, was ganz Vortreffliches; stark, lieblich, gesund. (Er füllt und reicht ihm zu.) Das kann einen überwachten Magen wieder in Ordnung bringen!
Just
Bald dürfte ich nicht!—Doch warum soll ich meiner Gesundheit seine
Grobheit entgelten lassen?—(Er nimmt und trinkt.)
Wirt
Wohl bekomm's, Herr Just!
Just (indem er das Gläschen wieder zurückgibt). Nicht übel!—Aber, Herr Wirt, Er ist doch ein Grobian!
Wirt Nicht doch, nicht doch!—Geschwind noch eins; auf einem Beine ist nicht gut stehen.
Just (nachdem er getrunken). Das muß ich sagen: gut, sehr gut!—Selbst gemacht, Herr Wirt?—
Wirt
Behüte! veritabler Danziger! echter, doppelter Lachs!
Just
Sieht Er, Herr Wirt; wenn ich heucheln könnte, so würde ich für so was
heucheln; aber ich kann nicht; es muß raus:—Er ist doch ein Grobian,
Herr Wirt!
Wirt In meinem Leben hat mir das noch niemand gesagt.—Noch eins, Herr Just; aller guten Dinge sind drei!
Just
Meinetwegen! (Er trinkt.) Gut Ding, wahrlich gut Ding!—Aber auch die
Wahrheit ist gut Ding.—Herr Wirt, Er ist doch ein Grobian!
Wirt
Wenn ich es wäre, würde ich das wohl so mit anhören?
Just
O ja, denn selten hat ein Grobian Galle.
Wirt
Nicht noch eins, Herr Just? Eine vierfache Schnur hält desto besser.
Just Nein, zu viel ist zu viel! Und was hilft's Ihn, Herr Wirt? Bis auf den letzten Tropfen in der Flasche würde ich bei meiner Rede bleiben. Pfui, Herr Wirt, so guten Danziger zu haben und so schlechte Mores!— Einem Manne wie meinem Herrn, der Jahr und Tag bei Ihm gewohnt, von dem Er schon so manchen schönen Taler gezogen, der in seinem Leben keinen Heller schuldig geblieben ist; weil er ein paar Monate her nicht prompt bezahlt, weil er nicht mehr so viel aufgehen läßt—in der Abwesenheit das Zimmer auszuräumen!
Wirt Da ich aber das Zimmer notwendig brauchte? da ich voraussähe, daß der Herr Major es selbst gutwillig würde geräumt haben, wenn wir nur lange auf seine Zurückkunft hätten warten können? Sollte ich denn so eine fremde Herrschaft wieder von meiner Türe wegfahren lassen? Sollte ich einem andern Wirte so einen Verdienst mutwillig in den Rachen jagen? Und ich glaube nicht einmal, daß sie sonstwo unterkommen wäre. Die Wirtshäuser sind jetzt alle stark besetzt. Sollte eine so junge, schöne, liebenswürdige Dame auf der Straße bleiben? Dazu ist Sein Herr viel zu galant! Und was verliert er denn dabei? Habe ich ihm nicht ein anderes Zimmer dafür eingeräumt?
Just
Hinten an dem Taubenschlage; die Aussicht zwischen des Nachbars
Feuermauern—
Wirt Die Aussicht war wohl sehr schön, ehe sie der verzweifelte Nachbar verbaute. Das Zimmer ist doch sonst galant und tapeziert—
Just
Gewesen!
Wirt
Nicht doch, die eine Wand ist es noch. Und Sein Stübchen darneben,
Herr Just; was fehlt dem Stübchen? Es hat einen Kamin, der zwar im
Winter ein wenig raucht—
Just Aber doch im Sommer recht hübsch läßt.—Herr, ich glaube gar, Er vexiert uns noch obendrein?—
Wirt
Nu, nu, Herr Just, Herr Just—
Just
Mache Er Herr Justen den Kopf nicht warm, oder—
Wirt
Ich macht' ihn warm? der Danziger tut's!—
Just Einen Offizier wie meinen Herrn! Oder meint Er, daß ein abgedankter Offizier nicht auch ein Offizier ist, der Ihm den Hals brechen kann? Warum waret ihr im Kriege so geschmeidig, ihr Herren Wirte? Warum war denn da jeder Offizier ein würdiger Mann und jeder Soldat ein ehrlicher, braver Kerl? Macht euch das bißchen Friede schon so übermütig?
Wirt
Was ereifert Er sich nun, Herr Just?—
Just
Ich will mich ereifern.—
3. Szene
(v. Tellheim. Der Wirt. Just.)
Tellheim (im Hereintreten). Just!
Just (in der Meinung, daß ihn der Wirt nenne). Just?—So bekannt sind wir?—
Tellheim
Just!
Just
Ich dächte, ich wäre wohl Herr Just für Ihn!
Wirt (der den Major gewahr wird). St! st! Herr, Herr, Herr Just—seh Er sich doch um; Sein Herr—
Tellheim
Just, ich glaube, du zankst? Was habe ich dir befohlen?
Wirt Oh, Ihro Gnaden! zanken? da sei Gott vor! Ihr untertänigster Knecht sollte sich unterstehen, mit einem, der die Gnade hat, Ihnen anzugehören, zu zanken?
Just
Wenn ich ihm doch eins auf den Katzenbuckel geben dürfte!—
Wirt
Es ist wahr, Herr Just spricht für seinen Herrn, und ein wenig hitzig.
Aber daran tut er recht; ich schätze ihn um so viel höher; ich liebe
ihn darum.—
Just
Daß ich ihm nicht die Zähne austreten soll!
Wirt Nur schade, daß er sich umsonst erhitzt. Denn ich bin gewiß versichert, daß Ihro Gnaden keine Ungnade deswegen auf mich geworfen haben, weil—die Not—mich notwendig—
Tellheim Schon zuviel, mein Herr! Ich bin Ihnen schuldig; Sie räumen mir in meiner Abwesenheit das Zimmer aus; Sie müssen bezahlt werden; ich muß wo anders unterzukommen suchen. Sehr natürlich!—
Wirt Wo anders? Sie wollen ausziehen, gnädiger Herr? Ich unglücklicher Mann! ich geschlagner Mann! Nein, nimmermehr! Eher muß die Dame das Quartier wieder räumen. Der Herr Major kann ihr, will ihr sein Zimmer nicht lassen; das Zimmer ist sein; sie muß fort; ich kann ihr nicht helfen.—Ich gehe, gnädiger Herr—
Tellheim
Freund, nicht zwei dumme Streiche für einen! Die Dame muß in dem
Besitze des Zimmers bleiben.—
Wirt Und Ihro Gnaden sollten glauben, daß ich aus Mißtrauen, aus Sorge für meine Bezahlung?—Als wenn ich nicht wüßte, daß mich Ihro Gnaden bezahlen können, sobald Sie nur wollen.—Das versiegelte Beutelchen— fünfhundert Taler Louisdor stehet drauf—welches Ihro Gnaden in dem Schreibepulte stehen gehabt—ist in guter Verwahrung.—
Tellheim
Das will ich hoffen; so wie meine übrige Sachen.—Just soll sie in
Empfang nehmen, wenn er Ihnen die Rechnung bezahlt hat.—
Wirt Wahrhaftig, ich erschrak recht, als ich das Beutelchen fand.—Ich habe immer Ihro Gnaden für einen ordentlichen und vorsichtigen Mann gehalten, der sich niemals ganz ausgibt.—Aber dennoch—wenn ich bar Geld in dem Schreibepulte vermutet hätte—
Tellheim
Würden Sie höflicher mit mir verfahren sein. Ich verstehe Sie.—Gehen
Sie nur, mein Herr; lassen Sie mich; ich habe mit meinem Bedienten zu
sprechen.—
Wirt
Aber, gnädiger Herr—
Tellheim Komm, Just, der Herr will nicht erlauben, daß ich dir in seinem Hause sage, was du tun sollst.—
Wirt
Ich gehe ja schon, gnädiger Herr!—Mein ganzes Haus ist zu Ihren
Diensten.
4. Szene
(v. Tellheim. Just.)
Just (der mit dem Fuße stampft und dem Wirte nachspuckt). Pfui!
Tellheim
Was gibt's?
Just
Ich ersticke vor Bosheit.
Tellheim
Das wäre soviel als an Vollblütigkeit.
Just Und Sie—Sie erkenne ich nicht mehr, mein Herr. Ich sterbe vor Ihren Augen, wenn Sie nicht der Schutzengel dieses hämischen, unbarmherzigen Rackers sind! Trotz Galgen und Schwert und Rad hätte ich ihn—hätte ich ihn mit diesen Händen erdrosseln, mit diesen Zähnen zerreißen wollen.—
Tellheim
Bestie!
Just
Lieber Bestie als so ein Mensch!
Tellheim
Was willst du aber?
Just
Ich will, daß Sie es empfinden sollen, wie sehr man Sie beleidiget.
Tellheim
Und dann?
Just
Daß Sie sich rächten.—Nein, der Kerl ist Ihnen zu gering.—
Tellheim Sondern, daß ich es dir auftrüge, mich zu rächen? Das war von Anfang mein Gedanke. Er hätte mich nicht wieder mit Augen sehen und seine Bezahlung aus deinen Händen empfangen sollen. Ich weiß, daß du eine Handvoll Geld mit einer ziemlich verächtlichen Miene einem hinwerfen kannst.—
Just
So? eine vortreffliche Rache!—
Tellheim
Aber die wir noch verschieben müssen. Ich habe keinen Heller bares
Geld mehr; ich weiß auch keines aufzutreiben.
Just
Kein bares Geld? Und was ist denn das für ein Beutel mit fünfhundert
Taler Louisdor, den der Wirt in Ihrem Schreibpulte gefunden?
Tellheim
Das ist Geld, welches mir aufzuheben gegeben worden.
Just Doch nicht die hundert Pistolen, die Ihnen Ihr alter Wachtmeister vor vier oder fünf Wochen brachte?
Tellheim
Die nämlichen, von Paul Wernern. Warum nicht?
Just
Diese haben Sie noch nicht gebraucht? Mein Herr, mit diesen können
Sie machen, was Sie wollen. Auf meine Verantwortung—
Tellheim
Wahrhaftig?
Just
Werner hörte von mir, wie sehr man Sie mit Ihren Forderungen an die
Generalkriegskasse aufzieht. Er hörte—
Tellheim Daß ich sicherlich zum Bettler werden würde, wenn ich es nicht schon wäre.—Ich bin dir sehr verbunden, Just.—Und diese Nachricht vermochte Wernern, sein bißchen Armut mit mir zu teilen.—Es ist mir doch lieb, daß ich es erraten habe.—Höre, Just, mache mir zugleich auch deine Rechnung; wir sind geschiedene Leute.—
Just
Wie? was?
Tellheim
Kein Wort mehr; es kömmt jemand.—
5. Szene
(Eine Dame in Trauer. v. Tellheim. Just.)
Dame
Ich bitte um Verzeihung, mein Herr!—
Tellheim
Wen suchen Sie, Madame?—
Dame
Eben den würdigen Mann, mit welchem ich die Ehre habe zu sprechen.
Sie kennen mich nicht mehr? Ich bin die Witwe Ihres ehemaligen
Stabsrittmeisters—
Tellheim
Um des Himmels willen, gnädige Frau! welche Veränderung!—
Dame
Ich stehe von dem Krankenbette auf, auf das mich der Schmerz über den
Verlust meines Mannes warf. Ich muß Ihnen früh beschwerlich fallen,
Herr Major. Ich reise auf das Land, wo mir eine gutherzige, aber eben
auch nicht glückliche Freundin eine Zuflucht vors erste angeboten.—
Tellheim (zu Just). Geh, laß uns allein.—
6. Szene
(Die Dame. v. Tellheim.)
Tellheim Reden Sie frei, gnädige Frau! Vor mir dürfen Sie sich Ihres Unglücks nicht schämen. Kann ich Ihnen worin dienen?
Dame
Mein Herr Major—
Tellheim Ich beklage Sie, gnädige Frau! Worin kann ich Ihnen dienen? Sie wissen, Ihr Gemahl war mein Freund; mein Freund, sage ich; ich war immer karg mit diesem Titel.
Dame Wer weiß es besser als ich, wie wert Sie seiner Freundschaft waren, wie wert er der Ihrigen war? Sie würden sein letzter Gedanke, Ihr Name der letzte Ton seiner sterbenden Lippen gewesen sein, hätte nicht die stärkere Natur dieses traurige Vorrecht für seinen unglücklichen Sohn, für seine unglückliche Gattin gefordert—
Tellheim Hören Sie auf, Madame! Weinen wollte ich mit Ihnen gern; aber ich habe heute keine Tränen. Verschonen Sie mich! Sie finden mich in einer Stunde, wo ich leicht zu verleiten wäre, wider die Vorsicht zu murren.—O mein rechtschaffner Marloff! Geschwind, gnädige Frau, was haben Sie zu befehlen? Wenn ich Ihnen zu dienen imstande bin, wenn ich es bin—
Dame Ich darf nicht abreisen, ohne seinen letzten Willen zu vollziehen. Er erinnerte sich kurz vor seinem Ende, daß er als Ihr Schuldner sterbe, und beschwor mich, diese Schuld mit der ersten Barschaft zu tilgen. Ich habe seine Equipage verkauft und komme, seine Handschrift einzulösen.—
Tellheim
Wie, gnädige Frau? darum kommen Sie?
Dame
Darum. Erlauben Sie, daß ich das Geld aufzähle.
Tellheim
Nicht doch, Madame! Marloff mir schuldig? das kann schwerlich sein.
Lassen Sie doch sehen. (Er ziehet sein Taschenbuch heraus und sucht.)
Ich finde nichts.
Dame Sie werden seine Handschrift verlegt haben, und die Handschrift tut nichts zur Sache.—Erlauben Sie—
Tellheim Nein, Madame! so etwas pflege ich nicht zu verlegen. Wenn ich sie nicht habe, so ist es ein Beweis, daß ich nie eine gehabt habe, oder daß sie getilgt und von mir schon zurückgegeben worden.
Dame
Herr Major!—
Tellheim Ganz gewiß, gnädige Frau. Nein, Marloff ist mir nichts schuldig gebleiben. Ich wüßte mich auch nicht zu erinnern, daß er mir jemals etwas schuldig gewesen wäre. Nicht anders, Madame; er hat mich vielmehr als seinen Schuldner hinterlassen. Ich habe nie etwas tun können, mich mit einem Manne abzufinden, der sechs Jahre Glück und Unglück, Ehre und Gefahr mit mir geteilet. Ich werde es nicht vergessen, daß ein Sohn von ihm da ist. Er wird mein Sohn sein, sobald ich sein Vater sein kann. Die Verwirrung, in der ich mich jetzt selbst befinde—
Dame
Edelmütiger Mann! Aber denken Sie auch von mir nicht zu klein!
Nehmen Sie das Geld, Herr Major; so bin ich wenigstens beruhiget.—
Tellheim Was brauchen Sie zu Ihrer Beruhigung weiter als meine Versicherung, daß mir dieses Geld nicht gehöret? Oder wollen Sie, daß ich die unerzogene Waise meines Freundes bestehlen soll? Bestehlen, Madame; das würde es in dem eigentlichsten Verstande sein. Ihm gehört es, für ihn legen Sie es an!—
Dame Ich verstehe Sie; verzeihen Sie nur, wenn ich noch nicht recht weiß, wie man Wohltaten annehmen muß. Woher wissen es denn aber auch Sie, daß eine Mutter mehr für ihren Sohn tut, als sie für ihr eigen Leben tun würde? Ich gehe—
Tellheim Gehen Sie, Madame, gehen Sie! Reisen Sie glücklich! Ich bitte Sie nicht, mir Nachricht von Ihnen zu geben. Sie möchte mir zu einer Zeit kommen, wo ich sie nicht nutzen könnte. Aber noch eines, gnädige Frau; bald hätte ich das Wichtigste vergessen. Marloff hat noch an der Kasse unsers ehemaligen Regiments zu fordern. Seine Forderungen sind so richtig wie die meinigen. Werden meine bezahlt, so müssen auch die seinigen bezahlt werden. Ich hafte dafür.—
Dame
Oh! Mein Herr—Aber ich schweige lieber.—Künftige Wohltaten so
vorbereiten, heißt sie in den Augen des Himmels schon erwiesen haben.
Empfangen Sie seine Belohnung und meine Tränen! (Geht ab.)
7. Szene
(v. Tellheim.)
Tellheim
Armes, braves Weib! Ich muß nicht vergessen, den Bettel zu vernichten.
(Er nimmt aus seinem Taschenbuche Briefschaften, die er zerreißt.)
Wer steht mir dafür, daß eigner Mangel mich nicht einmal verleiten
könnte, Gebrauch davon zu machen?
8. Szene
(Just. v. Tellheim.)
Tellheim
Bist du da?
Just (indem er sich die Augen wischt). Ja!
Tellheim
Du hast geweint?
Just Ich habe in der Küche meine Rechnung geschrieben, und die Küche ist voll Rauch. Hier ist sie, mein Herr!
Tellheim
Gib her.
Just
Haben Sie Barmherzigkeit mit mir, mein Herr. Ich Weiß wohl, daß die
Menschen mit Ihnen keine haben, aber—
Tellheim
Was willst du?
Just
Ich hätte mir ehr den Tod als meinen Abschied vermutet.
Tellheim Ich kann dich nicht länger brauchen; ich muß mich ohne Bedienten behelfen lernen. (Schlägt die Rechnung auf und lieset.) "Was der Herr Major mir schuldig: Drei und einen halben Monat Lohn, den Monat 6 Taler, macht 21 Taler. Seit dem Ersten dieses an Kleinigkeiten ausgelegt 1 Taler 7 Gr. 9 Pf. Summa Summarum 22 Taler 7 Gr. 9 Pf."— Gut, und es ist billig, daß ich diesen laufenden Monat ganz bezahle.
Just
Die andere Seite, Herr Major—
Tellheim Noch mehr? (Lieset.) Was dem Herrn Major ich schuldig: An den Feldscher für mich bezahlt 25 Taler. Für Wartung und Pflege während meiner Kur für mich bezahlt 39 Taler. Meinem abgebrannten und geplünderten Vater auf meine Bitte vorgeschossen, ohne die zwei Beutepferde zu rechnen, die er ihm geschenkt, 50 Taler. Summa Summarum 114 Taler. Davon abgezogen vorstehende 22 Taler 7 Gr. 9 Pf., bleibe dem Herrn Major schuldig 91 Taler 16 Gr. 3 Pf."—Kerl, du bist toll!—
Just Ich glaube es gern, daß ich Ihnen weit mehr koste. Aber es wäre verlorne Tinte, es dazuzuschreiben. Ich kann Ihnen das nicht bezahlen, und wenn Sie mir vollends die Liverei nehmen, die ich auch noch nicht verdient habe—so wollte ich lieber, Sie hätten mich in dem Lazarette krepieren lassen.
Tellheim Wofür siehst du mich an? Du bist mir nichts schuldig, und ich will dich einem von meinen Bekannten empfehlen, bei dem du es besser haben sollst als bei mir.
Just
Ich bin Ihnen nichts schuldig, und doch wollen Sie mich verstoßen?
Tellheim
Weil ich dir nichts schuldig werden will.
Just Darum? nur darum?—So gewiß ich Ihnen schuldig bin, so gewiß Sie mir nichts schuldig werden können, so gewiß sollen Sie mich nun nicht verstoßen.—Machen Sie, was Sie wollen, Herr Major; ich bleibe bei Ihnen; ich muß bei Ihnen bleiben.—
Tellheim Und deine Hartnäckigkeit, dein Trotz, dein wildes, ungestümes Wesen gegen alle, von denen du meinest, daß sie dir nichts zu sagen haben, deine tückische Schadenfreude, deine Rachsucht—
Just Machen Sie mich so schlimm, wie Sie wollen; ich will darum doch nicht schlechter von mir denken als von meinem Hunde. Vorigen Winter ging ich in der Dämmerung an dem Kanale und hörte etwas winseln. Ich stieg herab und griff nach der Stimme und glaubte, ein Kind zu retten, und zog einen Pudel aus dem Wasser. Auch gut, dachte ich. Der Pudel kam mir nach, aber ich bin kein Liebhaber von Pudeln. Ich jagte ihn fort, umsonst; ich prügelte ihn von mir, umsonst. Ich ließ ihn des Nachts nicht in meine Kammer; er blieb vor der Türe auf der Schwelle. Wo er mir zu nahe kam, stieß ich ihn mit dem Fuße; er schrie, sahe mich an und wedelte mit dem Schwanze. Noch hat er keinen Bissen Brot aus meiner Hand bekommen, und doch bin ich der einzige, dem er hört, und der ihn anrühren darf. Er springt vor mir her und macht mir seine Künste unbefohlen vor. Es ist ein häßlicher Pudel, aber ein gar zu guter Hund. Wenn er es länger treibt, so höre ich endlich auf, den Pudeln gram zu sein.
Tellheim (beiseite). So wie ich ihm! Nein, es gibt keine völligen Unmenschen! —Just, wir bleiben beisammen.
Just Ganz gewiß!—Sie wollten sich ohne Bedienten behelfen? Sie vergessen Ihrer Blessuren und daß Sie nur eines Armes mächtig sind. Sie können sich ja nicht allein ankleiden. Ich bin Ihnen unentbehrlich; und bin— ohne mich selbst zu rühmen, Herr Major—und bin ein Bedienter, der— wenn das Schlimmste zum Schlimmen kömmt—für seinen Herrn betteln und stehlen kann.
Tellheim
Just, wir bleiben nicht beisammen.
Just
Schon gut!
9. Szene
(Ein Bedienter. v. Tellheim. Just.)
Bediente
Bst! Kamerad!
Just
Was gibt's?
Bediente
Kann Er mir nicht den Offizier nachweisen, der gestern noch in diesem
Zimmer (auf eines an der Seite zeigend, von welcher er herkömmt)
gewohnt hat?
Just
Das dürfte ich leicht können. Was bringt Er ihm?
Bediente
Was wir immer bringen, wenn wir nichts bringen: ein Kompliment. Meine
Herrschaft hört, daß er durch sie verdrängt worden. Meine Herrschaft
weiß zu leben, und ich soll ihn deshalb um Verzeihung bitten.
Just
Nun, so bitte Er ihn um Verzeihung; da steht er.
Bediente
Was ist er? Wie nennt man ihn?
Tellheim Mein Freund, ich habe Euern Auftrag schon gehört. Es ist eine überflüssige Höflichkeit von Eurer Herrschaft, die ich erkenne, wie ich soll. Macht ihr meinen Empfehl.—Wie heißt Eure Herrschaft?—
Bediente
Wie sie heißt? Sie läßt sich gnädiges Fräulein heißen.
Tellheim
Und ihr Familienname?
Bediente Den habe ich noch nicht gehört, und darnach zu fragen, ist meine Sache nicht. Ich richte mich so ein, daß ich meistenteils alle sechs Wochen eine neue Herrschaft habe. Der Henker behalte alle ihre Namen!—
Just
Bravo, Kamerad!
Bediente Zu dieser bin ich erst vor wenig Tagen in Dresden gekommen. Sie sucht, glaube ich, hier ihren Bräutigam.—
Tellheim Genug, mein Freund. Den Namen Eurer Herrschaft wollte ich wissen, aber nicht ihre Geheimnisse. Geht nur!
Bediente
Kamerad, das wäre kein Herr für mich!
10. Szene
(v. Tellheim. Just.)
Tellheim Mache, Just, mache, daß wir aus diesem Hause kommen! Die Höflichkeit der fremden Dame ist mir empfindlicher als die Grobheit des Wirts. Hier, nimm diesen Ring, die einzige Kostbarkeit, die mir übrig ist, von der ich nie geglaubt hätte, einen solchen Gebrauch zu machen!— Versetze ihn! Laß dir achtzig Friedrichsdor darauf geben; die Rechnung des Wirts kann keine dreißig betragen. Bezahle ihn und räume meine Sachen—Ja, wohin?—Wohin du willst. Der wohlfeilste Gasthof der beste. Du sollst mich hier nebenan auf dem Kaffeehause treffen. Ich gehe, mache deine Sache gut.—
Just
Sorgen Sie nicht, Herr Major!—
Tellheim (kömmt wieder zurück). Vor allen Dingen, daß meine Pistolen, die hinter dem Bette gehangen, nicht vergessen werden.
Just
Ich will nichts vergessen.
Tellheim (kömmt nochmals zurück). Noch eins: nimm mir auch deinen Pudel mit; hörst du, Just!—
11. Szene
(Just)
Just Der Pudel wird nicht zurückbleiben. Dafür laß ich den Pudel sorgen.— Hm! Auch den kostbaren Ring hat der Herr noch gehabt? Und trug ihn in der Tasche, anstatt am Finger?—Guter Wirt, wir sind so kahl noch nicht, als wir scheinen. Bei ihm, bei ihm selbst will ich dich versetzen, schönes Ringelchen! Ich weiß, er ärgert sich, daß du in seinem Hause nicht ganz sollst verzehrt werden!—Ah—
12. Szene
(Paul Werner. Just.)
Just
Sieh da, Werner! guten Tag, Werner! willkommen in der Stadt!
Werner
Das verwünschte Dorf! Ich kann's unmöglich wieder gewohne werden.
Lustig, Kinder, lustig; ich bringe frisches Geld! Wo ist der Major?
Just
Er muß dir begegnet sein; er ging eben die Treppe herab.
Werner Ich komme die Hintertreppe herauf. Nun, wie geht's ihm? Ich wäre schon vorige Woche bei euch gewesen, aber—
Just
Nun? was hat dich abgehalten?—
Werner
—Just—hast du von dem Prinzen Heraklius gehört?
Just
Heraklius? Ich wüßte nicht.
Werner
Kennst du den großen Helden im Morgenlande nicht?
Just
Die Weisen aus dem Morgenlande kenn ich wohl, die ums Neujahr mit dem
Sterne herumlaufen.—
Werner Mensch, ich glaube, du liesest ebensowenig die Zeitungen als die Bibel?—Du kennst den Prinzen Heraklius nicht? den braven Mann nicht, der Persien weggenommen und nächster Tage die Ottomanische Pforte einsprengen wird? Gott sei Dank, daß doch noch irgendwo in der Welt Krieg ist! Ich habe lange genug gehofft, es sollte hier wieder losgehen. Aber da sitzen sie und heilen sich die Haut. Nein, Soldat war ich, Soldat muß ich wieder sein! Kurz—(indem er sich schüchtern umsieht, ob ihn jemand behorcht) im Vertrauen, Just, ich wandere nach Persien, um unter Sr. Königlichen Hoheit, dem Prinzen Heraklius, ein paar Feldzüge wider den Türken zu machen.
Just
Du?
Werner Ich, wie du mich hier siehst! Unsere Vorfahren zogen fleißig wider den Türken, und das sollten wir noch tun, wenn wir ehrliche Kerls und gute Christen wären. Freilich begreife ich wohl, daß ein Feldzug wider den Türken nicht halb so lustig sein kann, als einer wider den Franzosen; aber dafür muß er auch desto verdienstlicher sein, in diesem und in jenem Leben. Die Türken haben dir alle Säbels, mit Diamanten besetzt—
Just
Um mir von so einem Säbel den Kopf spalten zu lassen, reise ich nicht
eine Meile. Du wirst doch nicht toll sein und dein schönes
Schulzengerichte verlasen?—
Werner
Oh, das nehme ich mit!—Merkst du was?—Das Gütchen ist verkauft—
Just
Verkauft?
Werner St!—hier sind hundert Dukaten, die ich gestern auf den Kauf bekommen; die bring ich dem Major—
Just
Und was soll der damit?
Werner Was er damit soll? Verzehren soll er sie, verspielen, vertrinken, ver—, wie er will. Der Mann muß Geld haben, und es ist schlecht genug, daß man ihm das Seinige so sauer macht! Aber ich wüßte schon, was ich täte, wenn ich an seiner Stelle wäre! Ich dächte: hol euch hier alle der Henker, und ginge mit Paul Wernern, nach Persien!—Blitz!—Der Prinz Heraklius muß ja wohl von dem Major Tellheim gehört haben, wenn er auch schon seinen gewesenen Wachtmeister, Paul Wernern, nicht kennt. Unsere Affäre bei den Katzenhäusern—
Just
Soll ich dir die erzählen?—
Werner Du mir?—Ich merke wohl, daß eine schöne Disposition über deinen Verstand geht. Ich will meine Perlen nicht vor die Säue werfen.—Da nimm die hundert Dukaten; gib sie dem Major. Sage ihm, er soll mir auch die aufheben. Ich muß jetzt auf den Markt; ich habe zwei Winspel Roggen hereingeschickt; was ich daraus löse, kann er gleichfalls haben. —
Just
Werner, du meinest es herzlich gut; aber wir mögen dein Geld nicht.
Behalte deine Dukaten, und deine hundert Pistolen kannst du auch
unversehrt wiederbekommen, sobald als du willst.—
Werner
So? Hat denn der Major noch Geld?
Just
Nein.
Werner
Hat er sich wo welches geborgt?
Just
Nein.
Werner
Und wovon lebt ihr denn?
Just Wir lassen anschreiben, und wenn man nicht mehr anschreiben will und uns zum Hause hinauswirft, so versetzen wir, was wir noch haben, und ziehen weiter.—Höre nur, Paul; dem Wirte hier müssen wir einen Possen spielen.
Werner
Hat er dem Major was in den Weg gelegt?—Ich bin dabei!—
Just Wie wär's, wenn wir ihm des Abends, wenn er aus der Tabagie kömmt, aufpaßten und ihn brav durchprügelten?—
Werner
Des Abends?—aufpaßten?—ihre zwei, einem?—Das ist nichts.—
Just
Oder wenn wir ihm das Haus über dem Kopf ansteckten?—
Werner Sengen und brennen?—Kerl, man hört's, daß du Packknecht gewesen bist und nicht Soldat—pfui!
Just Oder wenn wir ihm seine Tochter zur Hure machten? Sie ist zwar verdammt häßlich—
Werner Oh, da wird sie's lange schon sein! Und allenfalls brauchst du auch hierzu keinen Gehilfen. Aber was hast du denn? Was gibt's denn?
Just
Komm nur, du sollst dein Wunder hören!
Werner
So ist der Teufel wohl hier gar los?
Just
Jawohl; komm nur!
Werner
Desto besser! Nach Persien also, nach Persien!
2. Akt
1. Szene
(Die Szene ist in dem Zimmer des Fräuleins.) (Minna von Barnhelm.
Franziska.)
Fräulein (im Negligé, nach ihrer Uhr sehend). Franziska, wir sind auch sehr früh aufgestanden. Die Zeit wird uns lang werden.
Franziska Wer kann denn in den verzweifelten großen Städten schlafen? Die Karossen, die Nachtwächter, die Trommeln, die Katzen, die Korporals— das hört nicht auf zu rasseln, zu schreien, zu wirbeln, zu mauen, zu fluchen; gerade, als ob die Nacht zu nichts weniger wäre als zur Ruhe. —Eine Tasse Tee, gnädiges Fräulein?—
Fräulein
Der Tee schmeckt mir nicht.—
Franziska
Ich will von unserer Schokolade machen lassen.
Fräulein
Laß machen, für dich!
Franziska Für mich? Ich wollte ebensogern für mich allein plaudern als für mich allein trinken.—Freilich wird uns die Zeit so lang werden.—Wir werden vor langer Weile uns putzen müssen und das Kleid versuchen, in welchem wir den ersten Sturm geben wollen.
Fräulein
Was redest du von Stürmen, da ich bloß herkomme, die Haltung der
Kapitulation zu fordern?
Franziska Und der Herr Offizier, den wir vertrieben, und dem wir das Kompliment darüber machen lassen; er muß auch nicht die feinste Lebensart haben; sonst hätte er wohl um die Ehre können bitten lassen, uns seine Aufwartung machen zu dürfen.—
Fräulein Es sind nicht alle Offiziere Tellheims. Die Wahrheit zu sagen, ich ließ ihm das Kompliment auch bloß machen, um Gelegenheit zu haben, mich nach diesem bei ihm zu erkundigen.—Franziska, mein Herz sagt es mir, daß meine Reise glücklich sein wird, daß ich ihn finden werde.—
Franziska Das Herz, gnädiges Fräulein? Man traue doch ja seinem Herzen nicht zu viel. Das Herz redet uns gewaltig gern nach dem Maule. Wenn das Maul ebenso geneigt wäre, nach dem Herzen zu reden, so wäre die Mode längst aufgekommen, die Mäuler unterm Schlosse zu tragen.
Fräulein Ha! ha! Mit deinen Mäulern unterm Schlosse! Die Mode wäre mir eben recht!
Franziska
Lieber die schönsten Zähne nicht gezeigt, als alle Augenblicke das
Herz darüber springen lassen!
Fräulein
Was? Bist du so zurückhaltend?—
Franziska Nein, gnädiges Fräulein, sondern ich wollte es gern mehr sein. Man spricht selten von der Tugend, die man hat; aber desto öftrer von der, die uns fehlt.
Fräulein
Siehst du, Franziska? Da hast du eine sehr gute Anmerkung gemacht.—
Franziska
Gemacht? Macht man das, was einem so einfällt?—
Fräulein Und weißt du, warum ich eigentlich diese Anmerkung so gut finde? Sie hat viel Beziehung auf meinen Tellheim.
Franziska
Was hätte bei Ihnen nicht auch Beziehung auf ihn?
Fräulein Freund und Feind sagen, daß er der tapferste Mann von der Welt ist. Aber wer hat ihn von Tapferkeit jemals reden hören? Er hat das rechtschaffenste Hertz, aber Rechtschaffenheit und Edelmut sind Worte, die er nie auf die Zunge bringt.
Franziska
Von was für Tugenden spricht er denn?
Fräulein
Er spricht von keiner; denn ihm fehlt keine.
Franziska
Das wollte ich nur hören.
Fräulein
Warte, Franziska, ich besinne mich. Er spricht sehr oft von Ökonomie.
Im Vertrauen, Franziska, ich glaube, der Mann ist ein Verschwender.
Franziska Noch eins, gnädiges Fräulein. Ich habe ihn auch sehr oft der Treue und Beständigkeit gegen Sie erwähnen hören. Wie, wenn der Herr auch ein Flattergeist wäre?
Fräulein
Du Unglückliche!—Aber meinest du das im Ernste, Franziska?
Franziska
Wie lange hat er Ihnen nun schon nicht geschrieben?
Fräulein
Ach! seit dem Frieden hat er mir nur ein einziges Mal geschrieben.
Franziska Auch ein Seufzer wider den Frieden! Wunderbar! Der Friede sollte nur das Böse wieder gutmachen, das der Krieg gestiftet, und er zerrüttet auch das Gute, was dieser, sein Gegenpart, etwa noch veranlasset hat. Der Friede sollte so eigensinnig nicht sein!—Und wie lange haben wir schon Friede? Die Zeit wird einem gewaltig lang, wenn es so wenig Neuigkeiten gibt.—Umsonst gehen die Posten wieder richtig; niemand schreibt; denn niemand hat was zu schreiben.
Fräulein
"Es ist Friede", schrieb er mir, "und ich nähere mich der Erfüllung
meiner Wünsche." Aber daß er mir dieses nur einmal, nur ein einziges
Mal geschrieben—
Franziska Daß er uns zwingt, dieser Erfüllung der Wünsche selbst entgegenzueilen: finden wir ihn nur, das soll er uns entgelten!—Wenn indes der Mann doch Wünsche erfüllt hätte, und wir erführen hier—
Fräulein (ängstlich und hitzig). Daß er tot wäre?
Franziska
Für Sie, gnädiges Fräulein, in den Armen einer andern.—
Fräulein Du Quälgeist! Warte, Franziska, er soll dir es gedenken!—Doch schwatze nur; sonst schlafen wir wieder ein.—Sein Regiment ward nach dem Frieden zerrissen. Wer weiß, in welche Verwirrung von Rechnungen und Nachweisungen er dadurch geraten? Wer weiß, zu welchem andern Regimente, in welche entlegne Provinz er versetzt worden? Wer weiß, welche Umstände—Es pocht jemand.
Franziska
Herein!
2. Szene
(Der Wirt. Die Vorigen.)
Wirt (den Kopf voransteckend). Ist es erlaubt, meine gnädige Herrschaft?—
Franziska
Unser Herr Wirt?—Nur vollends herein.
Wirt (mit einer Feder hinter dem Ohre, ein Blatt Papier und ein Schreibezeug in der Hand). Ich komme, gnädiges Fräulein, Ihnen einen untertänigen guten Morgen zu wünschen—(zur Franziska) und auch Ihr, mein schönes Kind—
Franziska
Ein höflicher Mann!
Fräulein
Wir bedanken uns.
Franziska
Und wünschen Ihm auch einen guten Morgen.
Wirt Darf ich mich unterstehen zu fragen, wie Ihro Gnaden diese erste Nacht unter meinem schlechten Dache geruhet?—
Franziska Das Dach ist so schlecht nicht, Herr Wirt, aber die Betten hätten besser sein können.
Wirt
Was höre ich? Nicht wohl geruht? Vielleicht, daß die gar zu große
Ermüdung von der Reise—
Fräulein
Es kann sein.
Wirt
Gewiß, gewiß! denn sonst—Indes sollte etwas nicht vollkommen nach
Ihro Gnaden Bequemlichket gewesen sein, so geruhen Ihro Gnaden nur zu
befehlen.
Franziska Gut, Herr Wirt, gut! Wir sind auch nicht blöde; und am wenigsten muß man im Gasthofe blöde sein. Wir wollen schon sagen, wie wir es gern hätten.
Wirt Hiernächst komme ich zugleich—(indem er die Feder hinter dem Ohr hervorzieht).
Franziska
Nun?—
Wirt
Ohne Zweifel kennen Ihro Gnaden schon die weisen Verordnungen unserer
Polizei.
Fräulein
Nicht im geringsten, Herr Wirt—
Wirt
Wir Wirte sind angewiesen, keinen Fremden, wes Standes und Geschlechts
er auch sei, vierundzwanzig Stunden zu behausen, ohne seinen Namen,
Heimat, Charakter, hiesige Geschäfte, vermutliche Dauer des
Aufenthalts und so weiter gehörigen Orts schriftlich einzureichen.
Fräulein
Sehr wohl.
Wirt Ihro Gnaden werden also sich gefallen lassen—(indem er an einen Tisch tritt und sich fertig macht zu schreiben).
Fräulein
Sehr gern—Ich heiße—
Wirt
Einen kleinen Augenblick Geduld!—(Er schreibt.) "Dato, den 22.
August a.c. allhier zum Könige von Spanien angelangt"—Nun Dero Namen,
gnädiges Fräulein?
Fräulein
Das Fräulein von Barnhelm.
Wirt (schreibt). "von Barnhelm"—Kommend? woher, gnädiges Fräulein?
Fräulein
Von meinen Gütern aus Sachsen.
Wirt (schreibt). "Gütern aus Sachsen"—Aus Sachsen! Ei, ei, aus Sachsen, gnädiges Fräulein? aus Sachsen?
Franziska
Nun? warum nicht? Es ist doch wohl hierzulande keine Sünde, aus
Sachsen zu sein?
Wirt Eine Sünde? Behüte! das wäre ja eine ganz neue Sünde!—Aus Sachsen also? Ei, ei! aus Sachsen! Das liebe Sachsen!—Aber wo mir recht ist, gnädiges Fräulein, Sachsen ist nicht klein und hat mehrere—wie soll ich es nennen?—Distrikte, Provinzen.—Unsere Polizei ist sehr exakt, gnädiges Fräulein.—
Fräulein
Ich verstehe: von meinen Gütern aus Thüringen also.
Wirt
Aus Thüringen! Ja, das ist besser, gnädiges Fräulein, das ist genauer.
—(Schreibt und liest.) "Das Fräulein von Barnhelm, kommend von ihren
Gütern aus Thüringen, nebst einer Kammerfrau und zwei Bedienten"—
Franziska
Einer Kammerfrau? das soll ich wohl sein?
Wirt
Ja, mein schönes Kind.—
Franziska Nun, Herr Wirt, so setzen Sie anstatt Kammerfrau Kammerjungfer.—Ich höre, die Polizei ist sehr exakt; es möchte ein Mißverständnis geben, welches mir bei meinem Aufgebote einmal Händel machen könnte. Denn ich bin wirklich noch Jungfer und heiße Franziska; mit dem Geschlechtsnamen Willig; Franziska Willig. Ich bin auch aus Thüringen. Mein Vater war Müller auf einem von den Gütern des gnädigen Fräuleins. Es heißt Klein-Rammsdorf. Die Mühle hat jetzt mein Bruder. Ich kam sehr jung auf den Hof und ward mit dem gnädigen Fräulein erzogen. Wir sind von einem Alter, künftige Lichtmess einundzwanzig Jahr. Ich habe alles gelernt, was das gnädige Fräulein gelernt hat. Es soll mir lieb sein, wenn mich die Polizei recht kennt.
Wirt
Gut, mein schönes Kind, das will ich mir auf weitere Nachfrage merken.
—Aber nunmehr, gnädiges Fräulein, Dero Verrichtungen allhier?—
Fräulein
Meine Verrichtungen?
Wirt
Suchen Ihro Gnaden etwas bei des Königs Majestät?
Fräulein
O nein!
Wirt
Oder bei unsern hohen Justizkollegiis?
Fräulein
Auch nicht.
Wirt
Oder—
Fräulein
Nein, nein. Ich bin lediglich in meinen eigenen Angelegenheiten hier.
Wirt
Ganz wohl, gnädiges Fräulein, aber wie nennen sich diese eigne
Angelegenheiten?
Fräulein
Sie nennen sich—Franziska, ich glaube, wir werden vernommen.
Franziska
Herr Wirt, die Polizei wird doch nicht die Geheimnisse eines
Frauenzimmers zu wissen verlangen?
Wirt Allerdings, mein schönes Kind: die Polizei will alles, alles wissen; und besonders Geheimnisse.
Franziska
Ja nun, gnädiges Fräulein; was ist zu tun?—So hören Sie nur, Herr
Wirt—aber daß es ja unter uns und der Polizei bleibt!—
Fräulein
Was wird ihm die Närrin sagen?
Franziska
Wir kommen, dem Könige einen Offizier wegzukapern—
Wirt
Wie? was? Mein Kind! mein Kind!—
Franziska
Oder uns von dem Offiziere kapern zu lassen. Beides ist eins.
Fräulein Franziska, bist du toll?—Herr Wirt, die Nasenweise hat Sie zum besten. —
Wirt Ich will nicht hoffen! Zwar mit meiner Wenigkeit kann sie scherzen so viel, wie sie will; nur mit einer hohen Polizei—
Fräulein Wissen Sie was, Herr Wirt?—Ich weiß mich in dieser Sache nicht zu nehmen. Ich dächte, Sie ließen die ganze Schreiberei bis auf die Ankunft meines Oheims. Ich habe Ihnen schon gestern gesagt, warum er nicht mit mir zugleich angekommen. Er verunglückte zwei Meilen von hier mit seinem Wagen und wollte durchaus nicht, daß mich dieser Zufall eine Nacht mehr kosten sollte. Ich mußte also voran. Wenn er vierundzwanzig Stunden nach mir eintrifft, so ist es das längste.
Wirt
Nun ja, gnädiges Fräulein, so wollen wir ihn erwarten.
Fräulein Er wird auf Ihre Fragen besser antworten können. Er wird wissen, wem und wie weit er sich zu entdecken hat; was er von seinen Geschäften anzeigen muß und was er davon verschweigen darf.
Wirt Desto besser! Freilich, freilich kann man von einem jungen Mädchen (die Franziska mit einer bedeutenden Miene ansehend) nicht verlangen, daß es eine ernsthafte Sache mit ernsthaften Leuten ernsthaft traktiere—
Fräulein
Und die Zimmer für ihn sind doch in Bereitschaft, Herr Wirt?
Wirt
Völlig, gnädiges Fräulein, völlig; bis auf das eine—
Franziska Aus dem Sie vielleicht auch noch erst einen ehrlichen Mann vertreiben müssen?
Wirt Die Kammerjungfern aus Sachsen, gnädiges Fräulein, sind wohl sehr mitleidig.—
Fräulein Doch, Herr Wirt, das haben Sie nicht gut gemacht. Lieber hätten Sie uns nicht einnehmen sollen.
Wirt
Wieso, gnädiges Fräulein, wieso?
Fräulein
Ich höre, daß der Offizier, welcher durch uns verdrängt worden—
Wirt
Ja nur ein abgedankter Offizier ist, gnädiges Fräulein.—
Fräulein
Wenn schon!—
Wirt
Mit dem es zu Ende geht.—
Fräulein
Desto schlimmer! Es soll ein sehr verdienter Mann sein.
Wirt
Ich sage Ihnen ja, daß er abgedankt ist.
Fräulein
Der König kann nicht alle verdiente Männer kennen.
Wirt
O gewiß, er kennt sie, er kennt sie alle.—
Fräulein
So kann er sie nicht alle belohnen.
Wirt Sie wären alle belohnt, wenn sie darnach gelebt hätten. Aber so lebten die Herren während des Krieges, als ob ewig Krieg bleiben würde; als ob das Dein und Mein ewig aufgehoben sein würde. Jetzt liegen alle Wirtshäuser und Gasthöfe von ihnen voll, und ein Wirt hat sich wohl mit ihnen in acht zu nehmen. Ich bin mit diesem noch so ziemlich weggekommen. Hatte er gleich kein Geld mehr, so hatte er doch noch Geldeswert, und zwei, drei Monate hätte ich ihn freilich noch ruhig können sitzen lassen. Doch besser ist besser.—Apropos, gnädiges Fräulein; Sie verstehen sich doch auf Juwelen?—
Fräulein
Nicht sonderlich.
Wirt Was sollten Ihro Gnaden nicht?—Ich muß Ihnen einen Ring zeigen, einen kostbaren Ring. Zwar gnädiges Fräulein haben da auch einen sehr schönen am Finger, und je mehr ich ihn betrachte, je mehr muß ich mich wundern, daß er dem meinigen so ähnlich ist.—Oh! sehen Sie doch, sehen Sie doch! (Indem er ihn aus dem Futteral herausnimmt und dem Fräulein zureicht.) Welch ein Feuer! der mittelste Brillant allein wiegt über fünf Karat.
Fräulein (ihn betrachtend). Wo bin ich? Was seh ich? Dieser Ring—
Wirt
Ist seine fünfzehnhundert Taler unter Brüdern wert.
Fräulein
Franziska!—Sieh doch!—
Wirt Ich habe mich auch nicht einen Augenblick bedacht, achtzig Pistolen darauf zu leihen.
Fräulein
Erkennst du ihn nicht, Franziska?
Franziska
Der nämliche!—Herr Wirt, wo haben Sie diesen Ring her?—
Wirt
Nun, mein Kind? Sie hat doch wohl kein Recht daran?
Franziska
Wir kein Recht an diesem Ringe?—Inwärts auf dem Kasten muß des
Fräuleins verzogener Name stehn.—Weisen Sie doch, Fräulein.
Fräulein
Er ist's er ist's!—Wie kommen Sie zu diesem Ringe, Herr Wirt?
Wirt Ich? auf die ehrlichste Weise von der Welt.—Gnädiges Fräulein, gnädiges Fräulein, Sie werden mich nicht in Schaden und Unglück bringen wollen? Was weiß ich, wo sich der Ring eigentlich herschreibt? Während des Krieges hat manches seinen Herrn sehr oft, mit und ohne Vorbewußt des Herrn, verändert. Und Krieg war Krieg. Es werden mehr Ringe aus Sachsen über die Grenze gegangen sein.—Geben Sie mir ihn wieder, gnädiges Fräulein, geben Sie mir ihn wieder!
Franziska
Erst geantwortet: von wem haben Sie ihn?
Wirt Von einem Manne, dem ich so was nicht zutrauen kann, von einem sonst guten Manne—
Fräulein
Von dem besten Manne unter der Sonne, wenn Sie ihn von seinem
Eigentümer haben.—Geschwind, bringen Sie mir den Mann! Er ist es
selbst, oder wenigstens muß er ihn kennen.
Wirt
Wer denn? wen denn, gnädiges Fräulein?
Franziska
Hören Sie denn nicht? unsern Major.
Wirt Major? Recht, er ist Major, der dieses Zimmer vor Ihnen bewohnt hat, und von dem ich ihn habe.
Fräulein
Major von Tellheim.
Wirt
Von Tellheim, ja! Kennen Sie ihn?
Fräulein Ob ich ihn kenne? Er ist hier? Tellheim ist hier? Er? er hat in diesem Zimmer gewohnt? Er, er hat Ihnen diesen Ring versetzt? Wie kommt der Mann in diese Verlegenheit? Wo ist er? Er ist Ihnen schuldig?—Franziska, die Schatulle her! Schließ auf! (Indem sie Franziska auf den Tisch setzet und öffnet.) Was ist er Ihnen schuldig? Wem ist er mehr schuldig? Bringen Sie mir alle seine Schuldner. Hier ist Geld. Hier sind Wechsel. Alles ist sein!
Wirt
Was höre ich?
Fräulein
Wo ist er? wo ist er?
Wirt
Noch vor einer Stunde war er hier.
Fräulein Häßlicher Mann, wie konnten Sie gegen ihn so unfreundlich, so hart, so grausam sein?
Wirt
Ihro Gnaden verzeihen—
Fräulein
Geschwind, schaffen Sie mir ihn zur Stelle.
Wirt Sein Bedienter ist vielleicht noch hier. Wollen Ihro Gnaden, daß er ihn aufsuchen soll?
Fräulein Ob ich will? Eilen Sie, laufen Sie; für diesen Dienst allein will ich es vergessen, wie schlecht Sie mit ihm umgegangen sind.—
Franziska
Fix, Herr Wirt, hurtig, fort, fort! (Stößt ihn heraus.)
3. Szene
(Das Fräulein. Franziska)
Fräulein Nun habe ich ihn wieder, Franziska! Siehst du, nun habe ich ihn wieder! Ich weiß nicht, wo ich vor Freuden bin! Freue dich doch mit, liebe Franziska. Aber freilich, warum du? Doch du sollst dich, du mußt dich mit mir freuen. Komm, Liebe, ich will dich beschenken, damit du dich mit mir freuen kannst. Sprich, Franziska, was soll ich dir geben? Was steht dir von meinen Sachen an? Was hättest du gern? Nimm, was du willst, aber freue dich nur. Ich sehe wohl, du wirst dir nichts nehmen. Warte! (sie faßt in die Schatulle) da, liebe Franziska (und gibt ihr Geld), kaufe dir, was du gern hättest. Fordere mehr, wenn es nicht zulangt. Aber freue dich nur mit mir. Es ist so traurig, sich allein zu freuen. Nun, so nimm doch—
Franziska Ich stehle es Ihnen, Fräulein; Sie sind trunken, von Fröhlichkeit trunken.—
Fräulein Mädchen, ich habe einen zänkischen Rausch, nimm oder—(Sie zwingt ihr das Geld in die Hand.) Und wenn du dich bedankest!—Warte; gut, daß ich daran denke. (Sie greift nochmals in die Schatulle nach Geld.) Das, liebe Franziska, stecke beiseite, für den ersten blessierten armen Soldaten, der uns anspricht.—
4. Szene
(Der Wirt. Das Fräulein. Franziska.)
Fräulein
Nun? Wird er kommen?
Wirt
Der widerwärtige, ungeschliffene Kerl!
Fräulein
Wer?
Wirt
Sein Bedienter. Er weigert sich, nach ihm zu gehen.
Franziska Bringen Sie doch den Schurken her.—Des Majors Bediente kenne ich ja wohl alle. Welcher wäre denn das?
Fräulein
Bringen Sie ihn geschwind her. Wenn er uns sieht, wird er schon gehen.
(Der Wirt geht ab.)
5. Szene
(Das Fräulein. Franziska.)
Fräulein Ich kann den Augenblick nicht erwarten. Aber, Franziska, du bist noch immer so kalt? Du willst dich noch nicht mit mir freuen?
Franziska
Ich wollte von Herzen gern, wenn nur—
Fräulein
Wenn nur?
Franziska Wir haben den Mann wiedergefunden; aber wie haben wir ihn wiedergefunden? Nach allem, was wir von ihm hören, muß es ihm übel gehn. Er muß unglücklich sein, das jammert mich.
Fräulein Jammert dich?—Laß dich dafür umarmen, meine liebste Gespielin! das will ich dir nie vergessen!—Ich bin nur verliebt, und du bist gut.—
6. Szene
(Der Wirt. Just. Die Vorigen.)
Wirt
Mit genauer Not bring ich ihn.
Franziska
Ein fremdes Gesicht! Ich kenne ihn nicht.
Fräulein
Mein Freund, ist Er bei dem Major von Tellheim?
Just
Ja.
Fräulein
Wo ist Sein Herr?
Just
Nicht hier.
Fräulein
Aber Er weiß ihn zu finden?
Just
Ja.
Fräulein
Will Er ihn nicht geschwind herholen?
Just
Nein.
Fräulein
Er erweiset mir damit einen Gefallen.—
Just
Ei!
Fräulein
Und Seinem Herrn einen Dienst.—
Just
Vielleicht auch nicht.—
Fräulein
Woher vermutet Er das?
Just Sie sind doch die fremde Herrschaft, die ihn schon diesen Morgen komplimentieren lassen?
Fräulein
Ja.
Just
So bin ich schon recht.
Fräulein
Weiß Sein Herr meinen Namen?
Just Nein; aber er kann die allzu höflichen Damen ebensowenig leiden als die allzu groben Wirte.
Wirt
Das soll wohl mit auf mich gehn?
Just
Ja.
Wirt So laß Er es doch dem gnädigen Fräulein nicht entgelten, und hole Er ihn geschwind her.
Fräulein (leise zur Franziska). Franziska, gib ihm etwas—
Franziska (die dem Just Geld in die Hand drücken will). Wir verlangen Seine Dienste nicht umsonst.—
Just
Und ich Ihr Geld nicht ohne Dienste.
Franziska
Eines für das andere.
Just Ich kann nicht. Mein Herr hat mir befohlen, auszuräumen. Das tu ich jetzt, und daran bitte ich, mich nicht weiter zu verhindern. Wenn ich fertig bin, so will ich es ihm ja wohl sagen, daß er herkommen kann. Er ist nebenan auf dem Kaffeehause; und wenn er da nichts Bessers zu tun findet, wird er auch wohl kommen. (Will fortgehen.)
Franziska
So warte Er doch.—Das gnädige Fräulein ist des Herrn Majors—
Schwester.—
Fräulein
Ja, ja, seine Schwester.
Just
Das weiß ich besser, daß der Major keine Schwestern hat. Er hat mich
in sechs Monaten zweimal an seine Familie nach Kurland geschickt.—
Zwar es gibt mancherlei Schwestern—
Franziska
Unverschämter!
Just Muß man es nicht sein, wenn einen die Leute sollen gehn lassen? (Geht ab.)
Franziska
Das ist ein Schlingel!
Wirt Ich sagt' es ja. Aber lassen Sie ihn nur! Weiß ich doch nunmehr, wo sein Herr ist. Ich will ihn gleich selbst holen.—Nur, gnädiges Fräulein, bitte ich untertänigst, sodann ja mich bei dem Herrn Major zu entschuldigen, daß ich so unglücklich gewesen, wider meinen Willen einen Mann von seinen Verdiensten—
Fräulein Gehen Sie nur geschwind, Herr Wirt. Das will ich alles wieder gutmachen. (Der Wirt geht ab und hierauf) Franziska, lauf ihm nach: er soll ihm meinen Namen nicht nennen! (Franziska, dem Wirte nach.)
7. Szene
(Das Fräulein und hierauf Franziska)
Fräulein Ich habe ihn wieder!—Bin ich allein?—Ich will nicht umsonst allein sein.(Sie faltet die Hände.) Auch bin ich nicht allein! (Und blickt aufwärts.) Ein einziger dankbarer Gedanke gen Himmel ist das willkommenste Gebet!—Ich hab ihn, ich hab ihn! (Mit ausgebreiteten Armen.) Ich bin glücklich! und fröhlich! Was kann der Schöpfer lieber sehen als ein fröhliches Geschöpf!—(Franziska kömmt.) Bist du wieder da, Franziska?—Er jammert dich? Mich jammert er nicht. Unglück ist auch gut. Vielleicht, daß ihm der Himmel alles nahm, um ihm in mir alles wiederzugeben!
Franziska Er kann den Augenblick hier sein.—Sie sind noch in Ihrem Neglige, gnädiges Fräulein. Wie, wenn Sie sich geschwind ankleideten?
Fräulein Geh! ich bitte dich. Er wird mich von nun an öftrer so als geputzt sehen.
Franziska
Oh, Sie kennen sich, mein Fräulein.
Fräulein (nach einem kurzen Nachdenken). Wahrhaftig, Mädchen, du hast es wiederum getroffen.
Franziska
Wenn wir schön sind, sind wir ungeputzt am schönsten.
Fräulein Müssen wir denn schön sein?—Aber daß wir uns schön glauben, war vielleicht notwendig.—Nein, wenn ich ihm, ihm nur schön bin!— Franziska, wenn alle Mädchens so sind, wie ich mich jetzt fühle, so sind wir—sonderbare Dinger.—Zärtlich und stolz, tugendhaft und eitel, wollüstig und fromm—Du wirst mich nicht verstehen. Ich verstehe mich wohl selbst nicht.—Die Freude macht drehend, wirblicht.—
Franziska
Fassen Sie sich, mein Fräulein; ich höre kommen—
Fräulein
Mich fassen? Ich sollte ihn ruhig empfangen?
8. Szene
(v. Tellheim. Der Wirt. Die Vorigen.)
Tellheim (tritt herein, und indem er sie erblickt, flieht er auf sie zu). Ah! meine Minna!—
Fräulein (ihm entgegenfliehend). Ah! mein Tellheim!—
Tellheim (stutzt auf einmal und tritt wieder zurück). Verzeihen Sie, gnädiges Fräulein—das Fräulein von Barnhelm hier zu finden—
Fräulein Kann Ihnen doch so gar unerwartet nicht sein?—(Indem sie ihm näher tritt und er mehr zurückweicht.) Verzeihen? Ich soll Ihnen verzeihen, daß ich noch Ihre Minna bin? Verzeih' Ihnen der Himmel, daß ich noch das Fräulein von Barnhelm bin!—
Tellheim
Gnädiges Fräulein—(Sieht starr auf den Wirt und zuckt die Schultern.)
Fräulein (wird den Wirt gewahr und winkt der Franziska). Mein Herr—
Tellheim
Wenn wir uns beiderseits nicht irren—Franziska. Je, Herr Wirt, wen
bringen Sie uns denn da? Geschwind, kommen Sie, lassen Sie uns den
Rechten suchen.
Wirt
Ist es nicht der Rechte? Ei ja doch!
Franziska Ei nicht doch! Geschwind, kommen Sie; ich habe Ihrer Jungfer Tochter noch keinen guten Morgen gesagt.
Wirt
Oh! viel Ehre—(Doch ohne von der Stelle zu gehn.)
Franziska (faßt ihn an). Kommen Sie, wir wollen den Küchenzettel machen.— Lassen Sie sehen, was wir haben werden—
Wirt
Sie sollen haben, vors erste—
Franziska
Still, ja stille! Wenn das Fräulein jetzt schon weiß, was sie zu
Mittag speisen soll, so ist es um ihren Appetit geschehen. Kommen Sie,
das müssen Sie mir allein sagen. (Führet ihn mit Gewalt ab.)
9. Szene
(v. Tellheim. Das Fräulein)
Fräulein
Nun? irren wir uns noch?
Tellheim
Daß es der Himmel wollte!—Aber es gibt nur eine, und Sie sind es.—
Fräulein
Welche Umstände! Was wir uns zu sagen haben, kann jedermann hören.
Tellheim
Sie hier? Was suchen Sie hier, gnädiges Fräulein?
Fräulein Nichts suche ich mehr. (Mit offnen Armen auf ihn zugehend.) Alles, was ich suchte, habe ich gefunden.
Tellheim (zurückweichend). Sie suchten einen glücklichen, einen Ihrer Liebe würdigen Mann, und finden—einen Elenden.
Fräulein
So lieben Sie mich nicht mehr?—Und lieben eine andere?
Tellheim
Ah! der hat Sie nie geliebt, mein Fräulein, der eine andere nach
Ihnen lieben kann.
Fräulein Sie reißen nur einen Stachel aus meiner Seele.—Wenn ich Ihr Herz verloren habe, was liegt daran, ob mich Gleichgültigkeit oder mächtigere Reize darum gebracht?—Sie lieben mich nicht mehr: und lieben auch keine andere?—Unglücklicher Mann, wenn Sie gar nichts lieben!—
Tellheim Recht, gnädiges Fräulein; der Unglückliche muß gar nichts lieben. Er verdient sein Unglück, wenn er diesen Sieg nicht über sich selbst zu erhalten weiß; wenn er es sich gefallen lassen kann, daß die, welche er liebt, an seinem Unglück Anteil nehmen dürfen.—Wie schwer ist dieser Sieg!—Seitdem mir Vernunft und Notwendigkeit befehlen, Minna von Barnhelm zu vergessen: was für Mühe habe ich angewandt! Eben wollte ich anfangen zu hoffen, daß diese Mühe nicht ewig vergebens sein würde:—und Sie erscheinen, mein Fräulein!—
Fräulein
Versteh ich Sie recht?—Halten Sie, mein Herr; lassen Sie sehen, wo
wir sind, ehe wir uns weiter verirren!—Wollen Sie mir die einzige
Frage beantworten?
Tellheim
Jede, mein Fräulein—
Fräulein Wollen Sie mir auch ohne Wendung, ohne Winkelzug antworten? Mit nichts als einem trockenen Ja oder Nein?
Tellheim
Ich will es—wenn ich kann.
Fräulein Sie können es.—Gut: ohngeachtet der Mühe, die Sie angewendet, mich zu vergessen—lieben Sie mich noch, Tellheim?
Tellheim
Mein Fräulein, diese Frage—
Fräulein
Sie haben versprochen, mit nichts als Ja oder Nein zu antworten.
Tellheim
Und hinzugesetzt: wenn ich kann.
Fräulein
Sie können; Sie müssen wissen, was in Ihrem Herzen vorgeht.—Lieben
Sie mich noch, Tellheim?—Ja oder Nein.
Tellheim
Wenn mein Herz—
Fräulein
Ja oder Nein!
Tellheim
Nun, Ja!
Fräulein
Ja?
Tellheim
Ja, ja!—Allein—
Fräulein Geduld!—Sie lieben mich noch: genug für mich.—In was für einen Ton bin ich mit Ihnen gefallen! ein widriger, melancholischer, ansteckender Ton.—Ich nehme den meinigen wieder an.—Nun, mein lieber Unglücklicher, Sie lieben mich noch und haben Ihre Minna noch und sind unglücklich? Hören Sie doch, was Ihre Minna für ein eingebildetes, albernes Ding war—ist. Sie ließ, sie laßt sich träumen, Ihr ganzes Glück sei sie.—Geschwind, kramen Sie Ihr Unglück aus. Sie mag versuchen, wieviel sie dessen aufwiegt.—Nun?
Tellheim
Mein Fräulein, ich bin nicht gewohnt zu klagen.
Fräulein Sehr wohl. Ich wüßte auch nicht, was mir an einem Soldaten, nach dem Prahlen, weniger gefiele als das Klagen. Aber es gibt eine gewisse kalte, nachlässige Art, von seiner Tapferkeit und von seinem Unglücke zu sprechen—
Tellheim
Die im Grunde doch auch geprahlt und geklagt ist.
Fräulein Oh, mein Rechthaber, so hätten Sie sich auch gar nicht unglücklich nennen sollen.—Ganz geschwiegen oder ganz mit der Sprache heraus.— Eine Vernunft, eine Notwendigkeit, die Ihnen mich zu vergessen befiehlt?—Ich bin eine große Liebhaberin von Vernunft, ich habe sehr viel Ehrerbietung für die Notwendigkeit.—Aber lassen Sie doch hören, wie vernünftig diese Vernunft, wie notwendig diese Notwendigkeit ist.
Tellheim Wohl denn; so hören Sie, mein Fräulein.—Sie nennen mich Tellheim; der Name trifft ein.—Aber Sie meinen, ich sei der Tellheim, den Sie in Ihrem Vaterlande gekannt haben; der blühende Mann, voller Ansprüche, voller Ruhmbegierde; der seines ganzen Körpers, seiner ganzen Seele mächtig war, vor dem die Schranken der Ehre und des Glückes eröffnet standen, der Ihres Herzens und Ihrer Hand, wenn er schon Ihrer noch nicht würdig war, täglich würdiger zu werden hoffen durfte.—Dieser Tellheim bin ich ebensowenig, als ich mein Vater bin. Beide sind gewesen.—Ich bin Tellheim, der Verabschiedete, der an seiner Ehre Gekränkte, der Krüppel, der Bettler.—Jenem, mein Fräulein, versprachen Sie sich: wollen Sie diesem Wort halten?—
Fräulein Das klingt sehr tragisch!—Doch, mein Herr, bis ich jenen wiederfinde— in die Tellheims bin ich nun einmal vernarret—, dieser wird mir schon aus der Not helfen müssen.—Deine Hand, lieber Bettler! (Indem sie ihn bei der Hand ergreift.)
Tellheim (der die andere Hand mit dem Hute vor das Gesicht schlägt und sich von ihr abwendet). Das ist zu viel!—Wo bin ich?—Lassen Sie mich, Fräulein! Ihre Güte foltert mich!—Lassen Sie mich.
Fräulein
Was ist Ihnen? Wo wollen Sie hin?
Tellheim
Von Ihnen!—
Fräulein
Von mir? (Indem sie seine Hand an ihre Brust zieht.) Träumer!
Tellheim
Die Verzweiflung wird mich tot zu Ihren Füßen werfen.
Fräulein
Von mir?
Tellheim Von Ihnen.—Sie nie, nie wiederzusehen.—Oder doch so entschlossen, so fest entschlossen—keine Niederträchtigkeit zu begehen—Sie keine Unbesonnenheit begehen zu lasen.—Lassen Sie mich, Minna! (Reißt sich los und ab.)
Fräulein (ihm nach). Minna Sie lasen? Tellheim! Tellheim!
3. Akt
1. Szene
(Die Szene: Der Saal.) (Just, einen Brief in der Hand)
Just Muß ich doch noch einmal in das verdammte Haus kommen!—Ein Briefchen von meinem Herrn an das gnädige Fräulein, das seine Schwester sein will.—Wenn sich nur da nichts anspinnt!—Sonst wird des Brieftragens kein Ende werden.—Ich wär es gern los, aber ich möchte auch nicht gern ins Zimmer hinein.—Das Frauenszeug fragt so viel, und ich antworte so ungern!—Ha, die Türe geht auf. Wie gewünscht! das Kammerkätzchen!
2. Szene
(Franziska. Just)
Franziska (zur Türe herein, aus der sie kömmt). Sorgen Sie nicht; ich will schon aufpassen.—Sieh! (indem sie Justen gewahr wird) da stieße mir ja gleich was auf. Aber mit dem Vieh ist nichts anzufangen.
Just
Ihr Diener, Jungfer—
Franziska
Ich wollte so einen Diener nicht—
Just
Nu, nu, verzeih Sie mir die Redensart!—Da bring ich ein Briefchen von
meinem Herrn an Ihre Herrschaft, das gnädige Fräulein—Schwester.—
War's nicht so? Schwester.
Franziska
Geb Er her! (Reißt ihm den Brief aus der Hand.)
Just
Sie soll so gut sein, läßt mein Herr bitten, und es übergeben.
Hernach soll Sie so gut sein, läßt mein Herr bitten—daß Sie nicht
etwa denkt, ich bitte was!—
Franziska
Nun denn?
Just Mein Herr versteht den Rummel. Er weiß, daß der Weg zu den Fräuleins durch die Kammermädchen geht:—bild ich mir ein!—Die Jungfer soll also so gut sein—läßt mein Herr bitten—und ihm sagen lassen, ob er nicht das Vergnügen haben könnte, die Jungfer auf ein Viertelstündchen zu sprechen.
Franziska
Mich?
Just
Verzeih Sie mir, wenn ich Ihr einen unrechten Titel gebe.—Ja, Sie!—
Nur auf ein Viertelstündchen; aber allein, ganz allein, insgeheim,
unter vier Augen. Er hätte Ihr was sehr Notwendiges zu sagen.
Franziska Gut! ich habe ihm auch viel zu sagen.—Er kann nur kommen, ich werde zu seinem Befehle sein.
Just
Aber, wenn kann er kommen? Wenn ist es Ihr am gelegensten, Jungfer?
So in der Dämmerung?—
Franziska Wie meint Er das?—Sein Herr kann kommen, wenn er will—und damit packe Er sich nur!
Just
Herzlich gern! (Will fortgehen.)
Franziska
Hör Er doch; noch auf ein Wort.—Wo sind denn die andern Bedienten des
Majors?
Just
Die andern? Dahin, dorthin, überallhin.
Franziska
Wo ist Wilhelm?
Just
Der Kammerdiener? den läßt der Major reisen.
Franziska
So? Und Philipp, wo ist der?
Just
Der Jäger? den hat der Herr aufzuheben g
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Greez from Germany